Gefäßverkalkungen betreffen auch die Augen
Wenn ein Blutgefäß (Arterie oder Vene) beispielsweise durch ein Blutgerinnsel verschlossen wird, bemerken die Betroffenen meistens eine plötzliche Sehverschlechterung ohne weitere Beschwerden oder Schmerzen. Reagieren die Betroffenen schnell genug reagieren, ist in einigen Fällen eine sofortige Behandlung mit einer Infusionstherapie möglich. Unter bestimmten Bedingungen können wir einen Gefäßverschluss auch operativ beheben.
Wussten Sie schon?
Ein Gefäßverschluss ist ein augenärztlicher Notfall und muss so schnell wie möglich behandelt werden.
Venenverschluss der Netzhaut
Binnen Minuten oder Stunden entwickelt sich eine schmerzlose Sehminderung. Manchmal zieht vor dem Auge ein grauer Schleier auf. Eine anhaltende verminderte Sehkraft bis hin zum Sehverlust ist möglich. Einige Patienten spüren wenig, weil sie hauptsächlich das gesunde Auge gebrauchen. Der Verschluss einer kleineren Vene (Venenast) kann länger unbemerkt bleiben. Mögliche Ursachen sind Einengungen an Stellen mit verdickten Netzhautarterien und Thrombosen. Bei einer Thrombose verschließt ein Blutpfropf das Gefäß. Der Blutstau führt zu Blutungen und Schwellungen in der Netzhaut, eventuell auch in der Makula, der Stelle des schärfsten Sehens.
Arterienverschluss der Netzhaut
Ein Zentralarterien-Verschluss verursacht eine plötzliche, einseitige Erblindung ohne Schmerzen. Ein Arterienast-Verschluss macht sich durch einen Gesichtsfeldausfall oder die deutliche Minderung des Sehens bemerkbar. Ursache ist häufig ein eingeschwemmtes Blutgerinnsel (Embolie), das eine zuführende Arterie verstopft. Es stammt entweder aus Ablagerungen in anderen Gefäßen (meist der Halsschlagader), oder es hat sich aus dem Herzen abgelöst. Das kann bei Herzrhythmusstörungen (wie Vorhofflimmern), oder bei Herzklappenentzündungen vorkommen. Mitunter verursacht eine bestimmte Gefäßentzündung, eine sogenannte Riesenzell-Arteriitis, einen entzündlichen Gefäßverschluss. Weitere Ursachen sind Gefäßschäden durch Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen.
Wussten Sie schon?
Gefäßverschlüsse sind nicht schicksalhaft, sondern lassen sich in bestimmten Fällen operativ verbessern. Nur wenige Zentren für Augenerkrankungen bieten diese Methode an.
Wichtig: Die internistische Abklärung
Gefäßverschlüsse sind meist keine Augenerkrankungen, sondern eine Erkrankung des allgemeinen Gefäßsystems, die sich nur zufällig am Auge entwickelt hat. Deshalb ist wichtig, dass ein Internist die Ursachen abklärt. Damit können wir oftmals weitere Gefäßverschlüsse in anderen Regionen des Körpers vermeiden. Eine weitere Ursache für Verschlüsse der Netzhautadern sind Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose), Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen. Neben der Therapie erfolgt deshalb immer eine vollständige internistische Abklärung.
Spezielle Risikofaktoren bei Venenverschlüssen
- Arterielle Hypertonie (24h-Blutdruckmessung)
- Erhöhte Blut/Plasmaviskosität (Hämatokrit und Hämoglobin)
- Diabetes mellitus (Nüchternblutzucker, HbA1C)
- Hyperlipidämie (Cholesterin (Gesamt/HDL/LDL), Triglyzeride)
- Offenwinkelglaukom (Tensioprofil, Gesichtsfeld)
- Kardiovaskuläre Erkrankungen (KHK)
Nur im Einzelfall bei Risikogruppen abzuklären
- Thromophiliescreening (Alterationen des Gerinnungssystems): APC-Resistenz-Faktor-V-Leiden-Mutation, Antithrombinmangel, Protein-C-Mangel, Protein-S-Mangel
- Anticardiolipin-Antikörper (ACA), Antinucleäre Antikörper (ANA), Antiphospholipid-Antikörper
- Hyperviskositätssyndrome (M. Waldenström, Polyzythämie, Sichelzellerkrankung, Leukämie, Höhenretinopathie)
- Retinale Vaskulitis (Sarkoidose, Lupus erythematodes, M. Behcet)
- Entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa)
- Schwangerschaft, Präeklampsie
- Drusenpapille
- Retrobulbäre Raumforderung
- Medikamente
Fluoreszenz-Angiographie
Nach einigen Wochen, wenn die Blutungen zurückgegangen sind, sollte eine Differenzierung von durchbluteten und nicht-durchbluteten Gebieten der Netzhaut erfolgen. Die Fluoreszein-Angiographie zeigt das Ausmaß und bestimmt die mögliche Therapie mit Laserkoagulation.
Abbildung: Fluoreszenz-Angiographie 3 Monate nach Zentralvenenverschluss mit zentraler Durchblutungsstörung (Ischämie)
Die operative Behandlung mit Medikamenteneingabe (IVOM)
Bei einem Venenverschluss lässt sich die Durchblutung zwar verbessern, sie normalisiert sich aber nicht. In Folge kommt es zu einer chronischen Aufstauung von Flüssigkeit im Netzhautgewebe (Makulaödem), das die Sehkraft reduziert. Eine Medikamenteneingabe in den Glaskörper (IVOM) verbessert die Sehkraft in den meisten Fällen. Allerdings sind meist wiederholte Eingaben notwendig. Unser Forscherteam hat hierzu zahlreiche Studien veröffentlicht, in denen u.a. gezeigt wird, dass die durchschnittliche Zahl der Behandlungen im ersten Jahr bei 5,5 Augenspritzen liegt. Im zweiten Jahr sind nur noch durchschnittlich 3,5 Behandlungen nötig.
Verlauf mit Zentralvenenverschluss vor (obere Reihe) und 12 Monate nach (untere Reihe) IVOM-Therapie. Es zeigen sich klare Sehverbesserungen (5% auf 50%) nach einem Jahr.
Wissenschaftliche Publikationen der Augenklinik Sulzbach zu diesem Thema
- Januschowski K, Szurman P, Feltgen N, Spitzer B, Pielen A, Rehak M, Spital G, Meyer CH, Szurman GB. Injection scheme for intravitreal bevacizumab therapy for macular edema due to central retinal vein occlusion: results of a multicenter study. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 2013; 2015; 93:e400-402 Epub ahead of print [IF 2.102]
- Januschowski K, Dimopoulos S, Szurman P, Feltgen N, Spitzer B, Pielen A, Rehak M, Spital G; Bevacizumab Study Group Venous Occlusion, Meyer CH, Szurman GB. Injection scheme for intravitreal bevacizumab therapy for macular oedema due to central retinal vein occlusion: results of a multicenter study. Acta Ophthalmol 2015: 93: 400-402 [IF 3.032]
- Szurman GB, Januschowski K, Szurman P, Feltgen N, Spitzer B, Pielen A, Rehak M, Spital G, Dimopoulos S, Bevacizumab Study Group Venous Occlusion, Meyer CH. Injection scheme for intravitreal bevacizumab therapy for macular oedema due to central retinal vein occlusion: results of a multicentre study. Acta Ophthalmol 2016 Feb 1; [Epub ahead of print] [IF 3.032]
- Januschowski K, Szurman P, Meyer CH, Feltgen N, Pielen A, Spitzer B, Rehak M, Spital G, Dimopoulos S, Dimopoulou A, Bevacizumab Study Group Venous Occlusion, Szurman GB. Predictive factors for functional improvement following intravitreal bevacizumab injections after central retinal vein occlusion. Graefes Arch Clin Exper Ophthalmol 2016; in press [IF 1.991]
Die operative Behandlung mit Vitrektomie und RON
In ausgesuchten Fällen ermöglicht eine Glaskörperentfernung mit radiärer Opticusneurotomie (RON) die Durchblutung zu verbessern. Bei einem Drittel der Patienten ergibt sich eine deutliche Besserung.
Abbildung: Verlauf mit schwerem Zentralvenenverschluss vor (links) und 6 Monate nach (rechts) Vitrektomie mit RON. Es zeigen sich klare Sehverbesserungen (10% auf 40%) nach einem Jahr.
Wie sind die Erfolgsaussichten?
Die Netzhautveränderungen bei Gefäßverschlüssen nehmen einen sehr unterschiedlichen Verlauf. Je nach Art und Lage eines Gefäßverschlusses ist das Sehen unterschiedlich stark gemindert, mitunter bis zur Erblindung. Eine Sehverbesserung ist bei den venösen Verschlüssen im Gegensatz zu den arteriellen Verschlüssen gut möglich. Bei einer konsequenten Therapie gelingt es uns in einer Mehrzahl der Fälle eine Sehverbesserung zu erreichen. Unter anderem können wir das Auftreten von Komplikationen (z.B. Glaskörperblutungen, Grüner Star, Netzhautablösung) durch eine entsprechende Therapie verhindern. Das Sehvermögen hängt dabei von vielen Faktoren ab und ist individuell unterschiedlich gut.