Blinde erkennen wieder die Umgebung
In 2 Jahrzehnten Entwicklungsarbeit haben Forscher in Deutschland und den USA die ersten elektronischen Sehprothesen entwickelt – darunter auch Forscher unserer Augenklinik. Nach Jahren der vollständigen Blindheit grenzt es an ein Wunder, wieder Konturen zu erkennen und die Umrisse von Menschen und Gegenständen wahrnehmen zu können. Die Qualität des Alpha AMS Implant beweist eine aktuelle Studie, deren Ergebnisse im Herbst 2017 publiziert wurden. Die Ergebnisse verweisen auf ein physiologisch wie subjektiv vom Patienten wahrgenommenes sehr zuverlässiges System, das gut toleriert wird. Patienten können wieder ein eigenständiges Leben führen und sich visuell orientieren. Die Kosten der Operation werden derzeit von den Krankenkassen übernommen.
Wussten Sie schon?
Forscher unserer Augenklinik gehören zu den Pionieren der Retina-Implantat-Forschung und waren an der Implantation des weltweit ersten Exemplars 2007 beteiligt. Mit dieser Expertise zählen wir zu den wichtigsten qualifizierten Zentren für Netzhaut-Chips.
Das Implantat
Unterschiedliche Krankheitsbilder führen dazu, dass die Photorezeptoren der Netzhaut ihre Funktion verlieren und absterben. Die innere Netzhaut und der Sehnerv bilden aber noch eine intakte Verbindung zum Gehirn und verlieren ihre Funktion nicht. Das subretinale Implantat RETINA IMPLANT Alpha AMS kann die Funktion der degenerierten Photorezeptoren durch elektrische Stimulation der Netzhaut in geringem Umfang ersetzen. Dadurch können wieder Informationen über den Sehnerv an das Sehzentrum des Gehirns übermittelt und somit Seheindrücke hervorgerufen werden.
Der Chip hat eine Größe von nur 3,2 x 4 mm und eine Höhe von 70 µm. Er ist mit 1600 Photodioden besetzt, welche das einfallende Licht in elektrische Signale umwandeln. Diese Signale werden verstärkt und über Elektroden in die noch funktionsfähigen signalverarbeitenden Netzhautschichten weitergegeben. Von dort geht das Signal dem natürlichen optischen Weg folgend über den Sehnerv in den Bereich des Gehirns (visueller Kortex).
Im Kortex werden die eingehenden Informationen interpretiert und Seheindrücke abgebildet. Durch die Platzierung unter der Netzhaut können die natürlichen Blickbewegungen und Blickrichtungen des Auges genutzt werden. Eine spezielle Kamera zur Bildaufnahme außerhalb des Auges ist nicht erforderlich.
Der Empfänger und das Steuergerät
Der in das Auge implantierte Teil des RETINA IMPLANT Alpha AMS verfügt weder über Batterien noch andere Stromquellen. Deshalb bedarf es einer externen Stromversorgung. In einem 15 cm x 9,2 cm x 2,8 cm großen Handgerät, das in der Hand gehalten wird oder in der Jackentasche verborgen werden kann, befinden sich Batterien und eine elektronische Schaltung. Diese erzeugt in der Sendespule (Transponder D) ein magnetisches Wechselfeld. Dadurch wird Energie durch die Haut hindurch induktiv auf die hinter dem Ohr im Schädelknochen implantierte Empfängerspule übertragen, solange die Sendespule magnetisch an die Empfängerspule angekoppelt ist.
Der in der Empfängerspule erzeugte Strom wird über ein Kabel, das unter der Haut zur Schläfe verläuft, an den Augapfel herangeführt. Über ein dünnes Leiterbändchen wird der Strom durch die Augenwand (Lederhaut) zum Mikrochip unter der Netzhaut weitergeleitet. So kann der Mikrochip schließlich angeschaltet und betrieben werden. Über das Handgerät kann der Patient mit zwei Reglern die Helligkeit und den Kontrast des Signals an die Umgebungshelligkeit anpassen.
Sind Sie als Patient geeignet?
Rufen Sie uns an, um eine Voruntersuchung in unserer Sprechstunde für Elektronische Sehprothesen (Low Vision Sprechstunde) zu vereinbaren.
> Terminvergabe unter 06897 574 1121
Unerlässlich: Rehabilitationstraining
Die elektrische Stimulation der Netzhautzellen durch den Netzhautchip sorgt dafür, dass der Patient Lichtmuster wahrnimmt. Nun muss er diese Muster interpretieren. Nach einem speziellen Rehabilitationstraining kann er seine Umgebung mit der Brille „abscannen“, sich somit grob orientieren und insbesondere sich bewegende Objekte wahrnehmen. In Kooperationsverträgen mit den Krankenkassen haben wir vereinbart, dass die Kosten für ein Rehabilitationstraining über 1 Jahr bezahlt werden.
Abbildung: Implantiertes RETINA IMPLANT Alpha AMS im Auge eines Patienten
Was kann ich als Patient erwarten?
Für den Erfolg und die Akzeptanz des Implantats sind realistische Erwartungen des Patienten mitentscheidend. Nach der Operation kann der Betroffene nicht sofort wieder sehen. Das ist nicht wie das „Einschalten eine Bildschirms“. Das Sehen muss erst wieder erlernt werden: Es dauert bis zu einem Jahr, bis das Gehirn die elektrischen Impulse in Muster und Formen umwandeln kann. Daher ist die Rehabilitation in Sulzbach auch auf diese Dauer angelegt – der Patient kommt einmal wöchentlich zum Mobilitäts- und Alltagstraining.
Erfahrungsgemäß kommen blinde Patienten in ihrer häuslichen Umgebung mit Tricks ganz gut zurecht. Probleme und Stress entstehen oft erst, wenn sie die Wohnung verlassen und sich draußen orientieren müssen. Der Langstock kann zwar helfen, an einer Hauswand oder einem Bürgersteig entlang zu gehen. Das parkende Auto oder den Passanten auf dem Gehweg bemerken Blinde jedoch oft erst, wenn sie dagegen stoßen. Mit einem Netzhautimplantat können betroffene Patienten Umrisse wieder sehen. Auch in geschlossenen Räumen bieten die neuartigen Sehsysteme Vorteile: Türumrisse und Fenster werden erkannt, die Orientierung fällt leichter. Darüber hinaus sind Personen, deren Größe und typische Merkmale, z.B. lange oder kurze Haare, erkennbar.