Was ist ein angeborenes Glaukom?
Unter dem Begriff der angeborenen oder kindlichen Glaukome (genauer: entwicklungsbedingte Glaukome) werden verschiedene Erkrankungen zusammengefasst, bei denen der Augendruck bei Geburt oder erst im Kindesalter erhöht ist. Ein chronisch erhöhter Augendruck führt zu einer Schädigung der Sehnervenfasern mit einem Verfall des Gesichtsfeldes und anschließender Erblindung, wenn die Behandlung nicht rechtzeitig erfolgt. Schlimmer noch: Im kindlichen Lebensalter schreitet die Schädigung wesentlich rascher voran als im Erwachsenenalter. Unsere Experten zeigen Ihnen, wie ein kindliches Glaukom sicher und effektiv behandelt werden kann.
Vorsicht bei "Schönen großen" Augen
Ein vergrößerter Hornhautdurchmesser bei Neugeborenen (Buphthalmus) kann Zeichen eines angeborenen Glaukoms sein. Auch verstärktes Tränen und Lichtscheu bei Neugeborenen können indirekte Hinweise sein. Eine augenärztliche Untersuchung bringt Klarheit.
Was ist die Ursache für ein angeborenes Glaukom?
Die Häufigkeit des angeborenen Glaukoms liegt in Deutschland bei ca. 1:15.000. Am häufigsten liegt ein primäres Glaukom vor, d.h. das Glaukom tritt (angeboren oder erst im Kindesalter) ohne erkennbare Begleiterkrankungen und -ursachen auf. Meist liegt eine Fehlentwicklung des Kammerwinkels (= dem Abflussbereich des Augenwassers) vor. Dieser ist entweder nicht richtig entwickelt und/oder es liegt eine zusätzliche Membran im Sinne eines Abflusshindernisses davor. Sekundäre kindliche Glaukome treten mit Fehlbildungen von anderen Augenabschnitten oder Syndromen auf. Beispielhafte Ursachen sind Fehlentwicklungen des vorderen Auges:
- Aniridie
- Rieger-Anomalie
- Peters-Anomalie
oder Syndrome des ganzen Körpers… - Rieger-Syndrom
- Sturge-Weber Syndrom
- Neurofibromatose
Es gibt noch zahlreiche weitere seltene Ursachen. Am häufigsten finden wir jedoch Kinder mit angeborenem primärem Glaukom, Aphakie-Glaukom (nach Linsenentfernung) und Axenfeld/Rieger-Anomalie.
Links: Angeborenes Glaukom bei Axenfeld-Rieger Anomalie
Rechts: Schweres angeborenes Glaukom bei Rieger-Syndrom
Wie erkennen wir ein angeborenes Glaukom?
Schwere angeborene Glaukome zeichnen sich durch ein deutlich vergrößertes, hartes und meist dunkles Auge aus (Buphthalmus, Ochsenauge). Schwieriger zu erkennen sind leichtere Fälle mit nur gering ausgeprägter Augendruckerhöhung. Erste Zeichen sind meist nur ein verstärktes Tränen, eine Lichtscheu, eventuell eine leichte Hornhauttrübung und leicht vergrößerte Augen.
Warum entsteht ein Buphthalmus nur bei Säuglingen?
Ein zu großer Augapfel kann auf ein angeborenes Glaukom hindeuten, denn ein chronisch erhöhter Augendruck führt aufgrund des noch weichen und elastischen Gewebes beim Fötus bzw. Säugling zu einer Vergrößerung des Augapfels. Besonders große Augen bei einem Neugeborenen sollten Sie daher umgehend bei einem niedergelassenen Augenarzt abklären! Ältere Kinder (ab dem 2.-3. Lebensjahr) entwickeln diese Augapfel-Vergrößerung nicht mehr, weil das Gewebe fester ist. Diese Kinder fallen daher vorwiegend durch eine zunehmend schlechte Sehkraft, eventuell eine fortschreitende Kurzsichtigkeit und plötzliches Schielen auf.
Der erste Schritt: Eine standardisierte Narkoseuntersuchung
Bei Verdacht auf ein angeborenes oder kindliches Glaukom empfehlen wir eine umgehende Untersuchung. Eine exakte Befunderhebung ist bei Säuglingen und Kleinkindern nur in Kurznarkose möglich. Die Narkoseuntersuchung führen wir meist ambulant durch. Sie ist sehr schonend auch für Neugeborene. Dabei untersuchen wir in einem standardisierten Vorgehen das gesamte Auge und vermessen es mit speziellen Methoden:
- Messung des Hornhautdurchmessers
- Messung der Hornhautkrümmung
- Brillenbestimmung mit Strichskiaskopie
- Augendruckmessung mit 3 verschiedenen Verfahren
- Untersuchung des vorderen Augenabschnitts
- Untersuchung der Netzhaut und des Sehnerven
- Ultraschall-Augenlängenmessung
Risse in der inneren Hornhautschicht (Haab'sche Leisten) bei angeborenem Glaukom
Kammerwinkel-Untersuchung zeigt einen nicht ausreichend entwickelten Kammerwinkel mit Abflussstörung des Augenwassers
Fortgeschrittenes Glaukom mit randständiger Aushöhlung des Sehnervenkopfs. Die Nervenfasern sind fast vollständig verloren.
Standard ist die Behandlung mit einer Trabekulotomie
Anders als beim Erwachsenen-Glaukom lassen sich angeborene und kindliche Glaukome sehr gut und mit hoher Erfolgsrate operativ korrigieren. Die wirksamste Therapie ist die Trabekulotomie, bei der wir eine Spezialsonde von außen in den Abflusskanal (Schlemm’scher Kanal) einführen und den Kammerwinkel nach innen eröffnen. Diese schonende Methode zeigt auch in Langzeitstudien nachhaltig gute Ergebnisse mit einer Drucksenkung auf durchschnittlich 17.9 mmHg beim primären Glaukom (mit 19.5 mmHg etwas schlechter beim sekundären Glaukom) über einen Zeitraum von 18 Jahren (Ikeda et al. Arch Ophthalmol 2004; 122:1122-1128). Allerdings müssen wir den Eingriff in mehr als der Hälfte der Fälle nach einiger Zeit wiederholen.
Die Sulzbacher 3 + 1 Strategie
In schwierigen Fällen muss eine stärkere Ableitung des Augenwassers erfolgen. Unsere Augenklinik ist dabei spezialisiert auf die mikro-invasive Glaukomchirurgie. Statt der Anlage eines künstlichen Ausflusses nach außen zielen die sog. nicht-penetrierenden Verfahren auf die Verbesserung der natürlichen Abflusswege (interne Ableitung). Vorteil ist eine deutlich schonendere Operationsweise, eine höhere Erfolgsrate und ein wesentlich kürzerer Heilverlauf.
Mit unserer Sulzbacher 3 + 1 Strategie steht ein abgestuftes Behandlungskonzept bereit, das für leichte, mittlere und schwere kindliche Glaukome individuelle mikro-invasive Lösungen bietet. Wenn wir den Augendruck erfolgreich regulieren, halten wir damit das Fortschreiten des Sehverlustes auf. Obwohl sich die Sehnerven-Aushöhlung wieder deutlich bessert (nur bei Kindern), ist es kein Zeichen für eine Regeneration der Sehnervenfasern. Eine Sehverbesserung kann deshalb nicht erreicht werden.
Beurteilung anderer Behandlungsverfahren
Es sind immer noch ältere Verfahren bei der Behandlung von kindlichen Verfahren verbreitet, die wir nicht mehr oder nur noch in Ausnahmefällen verwenden. Hier die Gründe:
- Die Trabekulektomie wird immer noch in vielen Kliniken angewendet. Bei Kindern liegt die Erfolgsrate jedoch unter 50%. Auch die Verwendung von medikamentösen Antimetaboliten ist bei Kindern kritisch und nicht ausreichend sicher.
- Die Zyklophotokoagulation gilt als relativ schonend. Sie wirkt bei Kindern jedoch meist nicht ausreichend und muss deshalb häufig wiederholt werden. Gerade bei Kindern ist die Zyklophotokoagulation schwierig zu dosieren.
- Eine medikamentöse Behandlung ist bei Kindern schwierig zu überwachen und zeigt häufig Nebenwirkungen.
Unbedingt beachten
Niemals den Wirkstoff Brimonidin bei Kindern verwenden. Bereits ein einziger Augentropfen kann lebensbedrohliche Komplikationen bewirken!