Mit der richtigen Tamponade zum Erfolg
Jede Glaskörperentfernung (Vitrektomie) benötigt einen Ersatz. In den meisten Fällen genügt der Austausch gegen eine Flüssigkeit, die ähnlich dem natürlichen Augenwasser ist. Der Glaskörper besteht ohnehin zu 99.8% aus Wasser. In einigen Fällen (z.B. Netzhautablösung, Makulaloch) ist eine Tamponade nötig, um die Netzhaut an der richtigen Stelle anzudrücken. Wir zeigen Ihnen, welche Tamponade für Sie die richtige ist und was Sie darüber wissen müssen.
Wichtig:
Solange Sie Gas oder Luft im Auge haben, dürfen Sie nicht fliegen und auch nicht ins Hochgebirge reisen! Sprechen Sie vor geplanten Flugreisen immer Ihren Augenarzt an.
Unterschiedliche Befüllung des Auges
Wenn am Ende einer Vitrektomie eine Tamponade notwendig ist, verwenden wir Luft, Gas oder Silikonöl. Welche Tamponade verwendet wird, entscheidet sich je nach klinischem Befund oft erst während der Operation. Doch es gibt je nach Erkrankung Maßgaben und Empfehlungen, denen wir folgen. Beispielsweise verwenden wir bei einem Makulaforamen immer Gas, da sich hierdurch das Loch besser verschließt. Bei einer Netzhautablösung hängt es vom operativen Befund ab, für welche Tamponade wir uns entscheiden. In der Regel ist das Gas. Nur in sehr komplexen Situationen wird Silikonöl verwendet. Luft und Gas löst sich über einen Zeitraum von ca. 1 Woche (Luft) oder bis zu mehreren Wochen (Gas) auf. Das Auge produziert währenddessen wieder Augenwasser und füllt den Glaskörperraum auf. Silikonöl muss in einem zweiten Eingriff wieder entfernt werden.
Tamponade mit Luft
Die Befüllung mit Luft führt zu einem Tamponaden-Effekt von wenigen Tagen. Durch die Luftblase ist die Sehkraft in dieser Zeit schlecht. Nach einer Woche ist die Luftblase jedoch meist vollständig verschwunden. Luft steigt nach oben und drückt damit die Netzhaut am besten an. Sie wird in einfachen Fällen verwendet, um die Netzhaut für einige Tage zu stabilisieren, aber dem Patienten nach wenigen Tagen wieder eine gute Sehkraft zu ermöglichen. Auch bei komplexeren Operationen, wie bei einer Netzhautablösung verwenden wir bei günstiger Lage der Löcher häufig Luft. Der Vorteil für unsere Patienten ist eine raschere Erholung der Sehkraft.
Tamponade mit Gas
Eine Gastamponade hat einen ähnlichen Effekt wie Luft, haftet nur etwas länger. SF6-Gas verbleibt ca. 2-3 Wochen im Auge, C2F6-Gas verbleibt ca. 3-4 Wochen im Auge. Nach ca. der Hälfte der Zeit bemerken die Patienten den Flüssigkeitsspiegel, der vor der Pupille „tanzt“. Sobald die Gasblase kleiner als 50% ist, können Sie unter der Gasblase hindurch sehen. Die Sehkraft erholt sich dann sehr rasch. Auch hier gilt: Gas steigt nach oben, eventuell muss deshalb eine bestimmte Kopflagerung eingehalten werden, damit die Gasblase in die richtige Richtung drückt.
Tamponade mit Silikonöl
Silikonöl hat 2 große Vorteile:
1. Es hat eine beliebig lange Tamponadenwirkung (so lange wie es im Auge belassen wird)
2. Sie können Sdurch die Ölblase hindurch sehen (im Gegensatz zu Gas)
Der Nachteil ist, dass Silikonöl in einem zweiten Eingriff wieder entfernt werden muss. Wir setzen Silikonöl in der Behandlung von komplexen Netzhautablösungen ein, meist bei fortgeschrittener proliferativer Vitreoretinopathie (PVR), z.B. nach schweren Augenverletzungen. Neben leichtem Öl (Silikonöl 5000) gibt es auch schweres Öl für die Behandlung von Löchern in der unteren Hälfte. Darüber hinaus setzen wir die Silikonöltamponade zu einer effektiven Therapie der proliferativen diabetischen Retinopathie, bei schweren Augenverletzungen und bei viralen Erkrankungen des Auges erfolgreich ein.
Hydrogelplombe
Wir haben eine neue Technik zur Behandlung der rhegmatogenen Netzhautablösung entwickelt. Dabei wird entweder quervernetztes Kollagen (Ologen, Dahlhausen), quervernetzte Hyaluronsäure (Healaflow, Aptissen) oder nicht-vernetzte Hyaluronsäure (Healon GV, AMO) in eine bestimmte Stelle am Auge implantiert bzw. injiziert. Die Hydrogel-Plombe wird entweder als “non-vitrectomizing” Prozedur allein oder mit einer zusätzlichen Vitrektomie durchgeführt. Vorteil ist, dass das Netzhautforamen von innen identifiziert wird. Die vorgestellte neue Technik vereint die Vorteile von zwei bisherigen Ansätzen, der Buckelchirurgie und der Vitrektomie.
Lagerung
Grundsätzlich empfehlen wir unseren Patienten, bis die Tamponade vollständig aus dem Auge verschwunden ist, meistens flach auf dem Rücken zu liegen. Falls frisch Operierte keine anderen Informationen erhalten, sollten Sie sich beim Schlafen auf die rechte, linke Seite oder auf den Bauch legen. In der Regel ist eine „face down“ Position (Bauchlage) angeraten, um nach einer Operation eines Makulaforamens dieses zu verschließen. Bei Netzhautablösungen ist das sehr individuell, weswegen wir unseren Patienten hinsichtlich der Lagerung immer eine Empfehlung aussprechen. Die Lagerung ist meist nur für wenige Tage notwendig. Sie sind frei in Ihrer Beweglichkeit, wenn Ihr Operateur keine Anmerkungen zur Lagerung macht.
Vor- und Nachteile von verschiedenen Tamponaden
Die eingebrachten Materialien haben unterschiedliche Eigenschaften und wirken sich entsprechend verschieden auf das Auge aus. Die wichtigsten Aspekte im Überblick:
- Tamponaden drücken immer nur in eine Richtung, deshalb bitten wir Sie für einige Tage eine bestimmte Kopfhaltung einzuhalten
- Luft und Gas lösen sich von selbst auf und werden durch das natürliche Augenwasser ersetzt
- Silikonöl muss in einem zweiten Eingriff wieder entfernt werden; in seltenen Fällen kann es aber auch dauerhaft belassen werden
- Mit einem Gas-gefüllten Auge dürfen Sie sich nicht in eine Höhe über 1.500m begeben; Flugreisen und Reisen ins Hochgebirge sind zu vermeiden; Aufenthalte in großen Höhenlagen können zu einer extremen Augendrucksteigerung bis hin zur Erblindung führen
- Tamponaden können eine Graue-Star-Entwicklung (Katarakt) beschleunigen
Neu: Operation der Netzhautablösung ohne Tamponade
Mit einer speziellen operativen Technik können wir eine Netzhautablösung auch ganz ohne eine Tamponade mit Luft oder Gas behandeln. Diese Methode wird nur in wenigen Zentren in Europa angeboten. Vorteil: Die Sehkraft ist unmittelbar nach der Operation wieder besser, auch die Beschränkungen mit Flugreisen bestehen nicht.
Neu: Tamponade mit Hydrogel (künstlicher Glaskörper)
Unser Forscherteam der Augenklinik Sulzbach arbeitet seit 15 Jahren an der Entwicklung einer Hydrogel-Tamponade. Bisherige (hydrophobe) Tamponaden beschränken sich ausschließlich auf die physikalische Tamponaden-Funktion und bilden nicht die komplexen Eigenschaften und Funktionen des natürlichen Glaskörpers ab.
Unsere Entwicklung eines weltweit ersten Glaskörperersatzes auf Basis eines quervernetzten Hydrogels bildet die biologische Struktur sowie die optischen und physiologischen Eigenschaften des natürlichen Glaskörpers viel besser nach als herkömmliche hydrophobe Tamponaden. Der Vorteil: Eine solche Hydrogel-Tamponade ähnelt dem natürlichen gesunden Glaskörper eines Kindes. Es zeigt eine hervorragende Langzeitverträglichkeit und ordnet sich in die physiologische Homöostase ein. Unsere neuesten Ergebnisse zeigen, dass mit dem künstlichen Glaskörper die Entstehung eines Grauen Stars verhindert oder zumindest verzögert werden kann. Mit Erlaubnis der Ethikkommission Saarbrücken läuft derzeit ein individueller Heilversuch zur Behandlung von Patienten mit schwerer Hypotonie.
Wussten Sie schon?
„Die Bedeutung des Glaskörpers und seine möglichen Ersatzstrategien werden in Zukunft zunehmen.“
Wissenschaftliche Publikationen der Augenklinik Sulzbach zu diesem Thema:
- Schramm C, Spitzer MS, Henke-Fahle S, Steinmetz G, Januschowski K, Heiduschka P, Geis-Gerstorfer J, Biedermann T, Bartz-Schmidt KU, Szurman P. The cross-linked biopolymer hyaluronic acid as an artificial vitreous substitute. Invest Ophthalmol Vis Sci 2012; 53: 613-621
- Szurman P. Mysterium Glaskörper: Aufbau, Alterung und Ersatzstrategien. Ophthalmologe 2015; 112: 548
- Mariacher S, Szurman P. [Artificial vitreous body: Strategies for vitreous body substitutes]. Ophthalmologe 2015; 112: 572-579