Projekt-Zusammenfassung
Ziel dieser Forschungsgruppe ist die Entwicklung einer mit Tissue Engineering aufgebauten künstlichen Hornhaut, die auf natürlichen, nicht-immunogenen Materialien basiert und in das Empfängergewebe über natürliche Wundheilung stabil einwachsen kann. Grundlegend entwickeln wir dafür eine innovative polymerbasierte 3D-Matrix (folglich mit Zellen beimpft), um somit sowohl anatomische als auch funktionelle Eigenschaften einer primären Hornhaut nachzuahmen.
Wussten Sie schon?
Die Hornhaut hat im Durchschnitt einen Durchmesser von 12 mm und ist 540 Mikrometer (ca. ½ Millimeter) dick. Sie trägt neben ihrer Schutzfunktion mit durchschnittlich 43 Dioptrien zu ¾ der Brechkraft des Auges bei. Der Brechungsindex beträgt 1,367. Aufgrund der fehlenden Blut- und Lymphgefäße ist die Hornhaut immunprivilegiert. Außerdem ist es das dichteste innervierte Gewebe des Körpers.
Klinischer Hintergrund
Die Hornhaut-Transplantation ist die älteste, häufigste und erfolgreichste Verpflanzung eines Gewebes beim Menschen. Die erste perforierende Keratoplastik mit mittelfristig klarem Transplantat (über ein Jahr postoperativ) wurde 1905 durchgeführt. Verliert die Hornhaut ihre Transparenz, büßt der Betroffene sein Sehvermögen ein und kann erblinden. Bei einer Hornhautverpflanzung wird die getrübte Hornhaut entfernt und durch die gesunde, klare Hornhaut eines Spenders ersetzt. Eine Trübung der Hornhaut kann viele Ursachen haben. Am häufigsten sind Infektionen, zum Beispiel mit dem Herpesvirus, Verletzungen oder angeborene Erkrankungen. Aber auch extreme Verdünnungen und Verkrümmungen der Hornhaut (z.B. Keratokonus) können eine Transplantation notwendig machen. Bei einer solchen Operation wird der zentrale Teil der natürlichen Hornhaut kreisförmig entfernt und die neue Kornea eingesetzt und vernäht (Abbildung). Die Gefahr einer Abstoßung ist im Vergleich zu einer Organtransplantation zwar relativ gering, denn das durchsichtige Gewebe ist nicht durchblutet, sondern wird per Diffusion mit Nährstoffen versorgt. Trotzdem ist die Zahl der Betroffenen groß. Allein in Europa warten jährlich 40.000 Menschen auf eine Spenderhornhaut.
Warum sind bestehende Standardtherapien nicht ausreichend?
Nicht allen Patienten auf der Hornhaut-Warteliste kann heute geholfen werden, da es nicht genügend Spender gibt. Daraus resultieren lange Wartezeiten für eine Hornhauttransplantation von 3-12 Monaten. Die Fortschritte der letzten Jahre in der Hornhautchirugie und der demografische Wandel werden den Bedarf an Hornhauttransplantaten darüber hinaus weiter steigern. Zusätzlich wird die Zahl der geeigneten Transplante durch die üblichen limitierenden Faktoren, wie Zahl der geeigneten Spender, Vernarbungen der Spenderhornhaut, zu geringe Endothelzellzahl bei Beginn der Kultivierung, positiven virologischen oder mikrobiologischen Befunden und Haltbarkeit der Transplantate, verringert. Daher wurde mit der Zeit auch vermehrt an anderen Techniken zum Ersatz der menschlichen Kornea geforscht, die das Einsetzen nicht kornealen Materials als Hornhautersatz erlaubt. Solche biosynthetischen Keratoprothesen aus Materialien, wie Zahnwurzel, Tibia und Plexiglas machen es möglich, auf Spenderhornhäute zu verzichten. Allerdings lässt sich biologisches Material in der Regel nicht mit dem Körpergewebe fest verbinden und es kann an der Körperoberfläche abgestoßen werden. Darüber hinaus ist die Abbildungsqualität einer natürlichen Hornhaut bedeutend besser.
Zielsetzung
Wünschenswertes Gesamtziel dieses Vorhabens ist die Verbesserung der Bereitstellung von Hornhäuten. Primär soll durch die Entwicklung von artifiziellen Hornhäuten auf polymerbasierter 3D-Matrix erreicht werden, dass mehr Menschen und zeitnah eine angemessene Hornhaut-Transplantation bekommen können und somit deren Sehkraft und folglich auch die Lebenssituation deutlich verbessert werden kann.
Im gesamten pharmazeutischen, medizinischen und toxikologischen Forschungsbereich werden mittlerweile Zellkulturen und Gewebekonstrukte als In-vitro-Modelle und adäquater Ersatz für tierische und humane Gewebe- oder Organsysteme verwendet. Zur Deckung entsprechender Defekte ist hier meist ein Transfer von biologischem Gewebe nötig. Auch Teile der Hornhaut können bereits rekonstruiert werden, beispielsweise mit kultivierten Limbusstammzellen auf Amnionmembran als Trägermatrix. Klinisch wird das bereits bei bestimmten Patienten zur Rekonstruktion schwerer Oberflächenstörungen eingesetzt. Dieses Tissue Engineering der Hornhaut ist Teil eines wachsenden Forschungsgebietes und könnte für die Hornhauttransplantation einen Erfolg versprechenden Ansatz liefern.
Wie ist der Projektstand?
Erste erfolgreiche Versuche mit unserem Kooperationspartner, dem Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT in Sulzbach, erfolgten auf der Grundlage einer weltweit einmaligen Alginatzusammensetzung. Alle Alginatkonzentrationen konnten sowohl mit als auch ohne Besiedlung von Zellen eine herausragende Transparenz und Stabilität aufweisen (Abbildung). Nach Besiedlung mit kultivierten humanen Keratozyten, die zuvor aus Forschungshornhäuten isoliert wurden, konnten wir über 3 Monate ein langsames Wachstum der Keratozyten beobachten. Wir konnten eine dendritische Netzwerkausbildung und phänotypische Produktion der Extrazellulärmatrix mit Keratocan, Lumican und Kollagen Typ 1 nachweisen.
Wie sind wir methodisch aufgestellt?
Tissue Engineering Methoden zur Synthese von Hornhautkonstrukten, Zellkulturtechniken mit Proliferations- und Toxizitäts-Assays, Biochemische Dezellularisierung von tierischem Gewebe, Endothelzellmessung, Immunfluoreszenz-Aufarbeitung histologischer Gewebeschnitte, Antikörper-Assays, Photometrische Konzentrationsmessung in Gewebe, HPLC, Western-Blot, FACS-Analyse, Gewebepräparation mit Materialgewinnung und Zellzählung und Spezialfärbungen, Vitreoretinale Operationseinheit, Foto, Spaltlampe, Augendruckmessung), Elektrophysiologische Untersuchungseinheit
Das Projektteam
Dr. med. Annekatrin Rickmann (Arbeitsgruppenleiter)
Dr. rer. nat. Silke Wahl
Tisha Stanzel
Prof. Dr. med. Peter Szurman
Kooperationspartner
Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT